Wie schon angekündigt stelle ich euch heute ein Interview mit Sonja Bethke-Jehle vor, der Autorin von „Umdrehungen – Das Leben steht still“. In diesem Teil der Blog-Tour erörtern wir unter anderem das Thema „Warum ein Buch über Querschnittlähmung?“. Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen des Interviews und denkt dran: es gibt auch was tolles zu gewinnen 🙂

–>Warum ein Buch über Querschnittlähmung? <–
Erzähl mal, wie bist du auf die Idee gekommen?
Da muss ich etwas ausführlicher antworten. Ich
wollte vor einigen Jahren am Bahnhof zu meinem Gleis. Der Aufzug war kaputt,
aber das hat mich nicht gestört, denn ich nehme immer die Treppe. Ein
Rollstuhlfahrer hat mich jedoch angehalten und mich gefragt, ob ich noch einen
anderen Weg kennen würde. Ich konnte ihm leider nicht helfen. Mir ist
allerdings aufgefallen, dass ich mich extrem komisch verhalten habe. Ich war
total unsicher, konnte ihn nicht ansehen und habe mich sehr unbehaglich
gefühlt. Glücklicherweise hat er meine Verunsicherung gespürt und ziemlich cool
reagiert. Wir sind ins Gespräch gekommen und er hat mir erzählt, dass viele
Nichtbehinderte geradezu Angst vor dem Rollstuhl haben und in seiner
Anwesenheit fast schon schüchtern reagieren. Ich, erleichtert und plötzlich
sicherer, da er so offen mit mir sprach, habe ihm geantwortet, dass ich
ebenfalls überfordert war, dass ich aber keine Ahnung habe, woher das kommt.
Zuvor habe ich noch nie mit einem Rollstuhlfahrer zu tun gehabt. Trotzdem fand
ich es seltsam und sehr traurig, dass ich ihn nicht wie einen normalen Menschen
behandeln konnte. Während ich im Zug saß, musste ich ständig an ihn denken und
darüber grübeln, was er mir alles für kuriose Dinge erzählt hat, die ihm schon
passiert sind.
Und dann hast du dich zuhause hingesetzt und hast
losgeschrieben?
Ja, das war meine spontane Reaktion. Das war
allerdings vor Jahren. Bis ein Buch daraus geworden ist, ist noch einiges
passiert.
Gab es etwa noch ein Ereignis, welches dich so beeinflusst hat?
Seit ich ihm begegnet bin habe ich mehr auf
Rollstuhlfahrer und Behinderte geachtet. Ich habe mich für ihr Leben
interessiert und mich selber getestet, ob ich immer so bescheuert reagiere. Mit
schlimmen chronischen Krankheiten bin ich schon in Berührung gekommen. Mit MS
und Rheuma zum Beispiel, nicht jedoch mit Behinderungen – egal ob geistig oder
körperlich. Im Zug (das ist jetzt Zufall, dass das schon wieder im Zug passiert
ist) bin ich einmal einer Gruppe von tauben jungen Männern begegnet, die
gemeinsam einen Ausflug machten. Wir sind recht schnell ins Gespräch gekommen
und sie haben mir einige der Zeichen der Gebärdesprache gezeigt. Mit Zettel und
Stift habe ich mich schließlich erkundigt nach ihren Erfahrungen im Umgang mit
Nichtbehinderten. Sie konnten mir die Beobachtungen des Rollstuhlfahrers
bestätigten. Schließlich bin ich auch in Kontakt mit einer blinden Frau
gekommen und auch sie hat mir kuriose Storys erzählt. Immer mehr ist in mir der
Wunsch gekommen, darüber zu schreiben.
Warum hast du dann letztendlich über einen Querschnittgelähmten
geschrieben und nicht über eine taube oder blinde Person?
Ich habe Kurzgeschichten über blinde und taube
Personen geschrieben, insbesondere bei einer Geschichte über einen blinden
Menschen ist es erheblich schwerer zu schreiben. Man kann den Ort der Handlung
nicht mehr über sichtbare Merkmale beschreiben, sondern muss die Umgebung
anders lebendig werden lassen. Es fiel mir leichter, mich in einen
Querschnittgelähmten reinzuversetzen.
Du hast doch auch das E-Book veröffentlicht „Deine Dunkelheit
und meine Stille“, welches kostenlos zur Verfügung steht.
Stimmt, das ist die Kurzgeschichte über Paula und
Vince. Sie ist taub, er blind. Das war einer der Versuche, der mir meiner
Meinung nach gut gelungen ist. Ich habe versucht die Unterhaltung zweier
unterschiedlich gehandicapten Personen zu beschreiben. Doch es waren Ben und
Zita, deren Story immer größer wurde.
Hast du den Mann von dem Bahnhof eigentlich je
wieder gesehen?
Nein, leider nicht. Ich wünschte, ich könnte ihm
erzählen, wie sehr mich dieses Gespräch inspiriert hat und dass sogar ein Buch
daraus entstanden ist. Ich kenne auch nicht seinen Namen, sonst hätte ich eine
Figur sicherlich nach ihm benannt.
Hattest du während des Entstehunsgprozess noch
anderen Kontakt zu Querschnittgelähmten?
Ja, jede Menge. Ich finde, man muss mit den
Menschen auch kommunizieren, bevor man versuchen kann, in sie
hineinzuschlüpfen. Ich hatte einen sehr lieben Berater, der sehr offen für all
meine Fragen war. Wir waren stets in engem E-Mail-Kontakt und haben uns immer
besser kennengelernt. Am Ende waren wir uns auch vertraut genug, um über
intimere Dinge wie die Sexualität oder das Blasenmangement zu besprechen. Ich
wollte nichts beschönigen, den Leuten gleichzeitig aber verdeutlichen, dass
meine Figur – Ben – ein normaler Mensch ist, der mitten im Leben steht und
Sport macht, eine Freundin hat und mit Freunden ein Bier trinken geht. Mein
Berater hat mir häufiger gesagt: Mach aus der Hauptperson unbedingt eine coole
Socke. Ich hoffe, mir ist das gelungen.
Gab es auch Rollstuhlfahrer, die dein Vorhaben
eher skeptisch gegenüberstanden?
Die gab es ebenfalls. Die meisten haben mir Mut
zugesprochen und mir angeboten, ihnen Fragen zu stellen. Die meisten waren
interessiert. Doch es gab auch welche, die der Meinung waren, ich könne mich
ohne Gehbehinderung nicht in einen gehbehinderten Menschen reinversetzen. Ich
sehe es jedoch als mein Job an, wenn ich mich Autorin nenne. Das gehört dazu.
Ich muss mich ständig in andere Menschen hineinversetzen. Krimiautoren
schreiben sogar manchmal aus der Sicht eines Mörders. Diese Skepzis hat mich
meist sehr irritiert, denn genau das war ja das, gegen das ich ankämpfen möchte:
Diese enorme Differenz zwischen Behinderten und Nichtbehinderten.
Welche Ratschläge haben dir andere
Rollstuhlfahrer gegeben, die dem nicht so skeptisch gegenüberstanden?
Einem war es zum Beispiel wichtig, dass Ben einen
modernen Rollstuhl fährt. In den Medien sitzen Querschnittgelähmten häufig in
diesen Omakisten. Mit diesem Klitschee sollte ich aufräumen. Habe ich auch
gemacht. Ben hat einen sehr coolen Aktivrollstuhl, der ihm viel
Bewegungsfreiheit verleiht. Vielen war es wichtig, dass ich nichts verharmlosen,
anderen war es wichtig, dass ich es nicht zu dramatisere, weil sie befürchten,
dass die Menschen ansonsten Mitleid mit Ben haben. Ich denke, ich habe ein
gutes Gleichgewicht gefunden. Eine Frau riet mir, auch das Thema Sex nicht
auszulassen.
Wenn du den Mann vom Bahnhof erneut treffen
würdest, würdest du dann anders reagieren?
Auf jeden Fall! Meine Verunsicherung ist komplett
verschwunden. Das ist ja nur ein Rollstuhl, nichts, was einem Angst machen
müsste. Wenn jemand unsere Hilfe benötigt, wird er es im Übrigen schon sagen.
Wir müssen uns nicht aufdrängen, sondern stattdessen so reagieren, wie wir es
uns auch von unseren Mitmenschen wünschen. Es wäre schön, wenn die Leser meines
Buches natürlicher mit den Themen umgehen könnten. Wenn ich das geschafft habe,
dann bin ich wirklich sehr glücklich.
***Gewinnspielablauf***
Es gibt insgesamt jeweils ein E-Book und ein Printexemplar
zu dem ersten Teil  „Umdrehungen – Das
Leben steht still“ und zu dem zweiten Teil „Umdrehungen – Das Leben geht
weiter“ zu gewinnen. Bitte schreibt in euren Kommentaren, ob ihr den ersten
Teil schon kennt und Interesse an dem zweiten Teil habt oder ob ihr den ersten
Teil noch nicht kennt und bevorzugt diesen gewinnen wollt. Außerdem wäre es
auch gut zu wissen, ob ihr bei der Verlosung bei den Printbüchern und/oder den
E-Books teilnehmen möchtete. Die Chancen erhöhen sich natürlich, wenn ihr in
beide Lostöpfe hüpft. Macht einfach auf allen Blogs mit, dadurch erhöht sich
eure Gewinnschance nochmal.
Mitmachen ist ganz einfach: Besucht unsere Blogs und
kommentiert den Blogtourbeitrag in dem Zeitraum der Blogtour und beantwortet
dort die Fragen. Je mehr Fragen ihr beantwortet, desto mehr Lose mit euren
Namen sind im Loskopf. Hinterlasst sowohl Name als auch eine E-Mailadresse,
damit die Autorin euch am Ende im Gewinnfall kontaktieren kann.
Sowohl alle Bloggerinnen als auch die Autorin freuen sich
auf eure Teilnahmen, Antworten und Beiträge. Wir stehen für Fragen zur
Verfügung.

Die heutige Frage lautet: 

Ist euch die Scheu, die die Autorin anspricht, bekannt?
Falls ja, glaubt ihr, es könnte euch helfen, mehr über das Thema zu hören und
zu lesen?
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