Inhalt
Percents, im Labor geschaffene, verbesserte Menschen, haben die Weltherrschaft übernommen und unterdrücken nun die Menschen. Vereinzelt versuchen Rebellenclans außerhalb der Stadt zurecht zu kommen und ein besseres Leben zu führen, fernab jeglicher Unterdrückung. Eine von ihnen ist die 19 jährige Joy, die jedoch beim Versuch ein Clanmitglied aus den Fängen der Percents zu retten, ebenfalls gefangen genommen und ins Lager verschleppt wird. Dort wird sie festgehalten und zur Soldatin ausgebildet, wo sie sich im Herbst beim so genannten Chivy beweisen muss. Das Chivy ist eine Art Hetzjagd, bei der die teilnehmenden Soldaten möglichst vor den Percents fliehen müssen – je nachdem in welcher Reihenfolge die Soldaten geschnappt werden steigt der dazugehörige Ausbilder (sogenannte Varlets, eine Vorstufe der Percents) früher oder eben später ein einen höheren bzw. nicht ganz so hohen Rang auf. Der Varlet Neél, der dem Percent Cloud untersteht, ist für Joy verantwortlich und bildet sie aus, mit harter Hand. Doch Joy hinterblickt die raue Fassade und erkennt, dass auch Valets und Percents in der Lage sind zu fühlen und zu leben und genau wie Menschen nicht ausschließlich grausam sind…
Zitate
„Du bist ein Hund, für Dich ist alles gut so, wie es ist, wenn Du ein bisschen was zu fressen bekommst, an Bäume pinkeln und Deinen Arsch ablecken kannst und hin und wieder einer kommt, um Dich hinter Deinem linken Ohr zu kraulen. Bei uns Menschen ist das nicht so einfach. […] Wir denken immer. Vorallem denken wir, dass da noch mehr sein muss. Irgendwo. Aber wer weiß, ob das stimmt. Wir denken eben auch viel Blödsinn.“
„Man entscheidet nicht immer richtig, auch wenn man gute Absichten hat. Manchmal tut man aus Not heraus Dinge, die falsch sind. Manchmal tut man etwas nicht, weil es falsch sein könnte und macht damit den größten Fehler. Und manchmal muss man einfach etwas riskieren, ohne hundertprozentig zu wissen, wie es ausgeht.“
„Unweigerlich fragte ich mich, ob Einsamkeit irgendwo eine Grenze hatte – ein Punkt, an dem alles so vereinsamte, dass es einging – oder ob sie immer weiter steigerbar war, bis man so allein war wie der letzte Gedanke des letzten Menschen auf der Welt, lange nach dessen letzter Erinnerung.“
„Persönliche Differenzen dürfen nie mächtiger werden als Grundsätze. Falsch blieb falsch, auch wenn meine Gefühle anderes flüsterten.“
Erster Satz des Buches
„Ich hatte immer behauptet, der erste Percent, der in meinen Wurfradius tritt, würde ihn nicht lebend verlassen.“
Fazit
„Dark Canopy“ ist ein Roman der Autorin Jennifer Benkau. Zugegeben: Wenn ich es nicht gewonnen hätte, hätte ich dieses Buch vermutlich niemals gelesen, denn: gekauft hätte ich es auf keinen Fall. Der Klappentext entspricht so garnicht meinem Geschmack und zum „mal testen“ war mir dieses Buch dann auch einfach zu teuer und zu dick. Wie es der Zufall aber nun wollte, gewann ich dieses Buch. Vor ein paar Tagen (als ich noch der festen Überzeugung war, dass sich mein Gesundheitszustand bessert und ich aufs Fantasy Festival nach Flörsheim gehen kann) plagte mich dann der Gedanke bei einer Lesung anwesend zu sein, bei der ich das Buch gar nicht kannte und so schleppte ich mir den über 500 Seiten Wälzer herbei und begann zu lesen.
Im Intro begegnen wir direkt Joy, damals als etwa 16 jähriges Mädchen, die zum ersten Mal in ihrem Leben einem echten Percent (in diesem Falle der „Vorstufe“ – einem Varlet) gegenübersteht. Wir werden nicht langsam ins Geschehen hineingeführt sondern direkt hineingeworfen und müssen uns in einer ganz neuen Welt zurecht finden, in der nichts mehr so ist, wie wir es heute, im Jahre 2012 gewohnt sind. Da die Percents kein Sonnenlicht vertragen wird der Himmel durch Maschinen, die „Dark Canopy“, verdunkelt, indem immer wieder Staub in die Luft geschossen wird, der sich sammelt und jegliches Sonnenlicht verschluckt. Nur 2 Stunden am Tag, morgens nach dem Sonnenaufgang, werden die Dark Canopy ausgeschaltet, damit die Frucht auf den Feldern ausreichend Tageslicht bekommt und wachsen und gedeihen kann. Die Percents sind überall und die Menschen versuchen nicht aufzufallen, nicht in die Hände der Percents zu gelangen und schon gar nicht deren Missgunst auf sich zu ziehen, denn sie sind grausam. Percents atmen durch die Haut, die Eigenschaft die sie so empfindlich für Sonnenlicht macht, sehen selbst im Dunkeln so gut wie im Tageslicht und hören sehr viel besser als jeder normale Mensch. Sie scheinen gefühllos und kalt, benehmen sich nahezu wie Roboter.
Joy begegnet uns als mutige, wissbegierige, verantwortungsbewusste und zähe junge Frau, die zu Anfang alles tut um ihre beste Freundin, die bei einem „Ausflug“ in die Stadt von den Percents geschnappt wird, zu retten. Sie mobilisiert alle möglichen Kräfte, aufgeben ist keine Option. Als sie selbst geschnappt wird, erleidet sie Todesängste, versucht nach außen hin jedoch stark zu bleiben und niemals Schwäche zu zeigen. Die Percents beschließen sie als Soldat für das Chivy auszubilden und so wird sie dem jungen Varlet Neél zugeteilt, vor dem sie zuerst panische Angst hat, vorallem da sie bereits die Ruppigkeit anderer Varlets mitbekommen hat und weiß, dass sich ein Varlet immer nimmt, was er will. Neél trainiert sie bis aufs äußerste und Joy leidet Todesqualen doch sie gibt niemals auf, zeigt niemals Schwäche. Sie wehrt sich mit Händen und Füßen, geistig wie körperlich und versucht sich immer an den Gedanken einer besseren Zeit, ihrer Familie und ihrem Clan festzuhalten. Doch während ihrer Zeit in Gefangenschaft lernt sie nicht nur härter zu kämpfen und Stärke zu beweisen, sie lernt auch ihren Ausbilder Neél einzuschätzen und hinterblickt dann und wann seine Fassade, was ihr so manches Mal einen großen Vorteil einbringt. Joy wirkt auf den Leser stark, mutig, unaufhaltsam, unnachgiebig und allzeit bereit, man zweifelt niemals an ihr und bewundert ihre Intelligenz, ihre Kombinationsgabe und ihren Drang nach Freiheit und Überleben.
Neél, Joys Ausbilder, wirkt am Anfang grausam, unnahbar und wenig menschlich. Er quält Joy bis aufs äußerste und aus irgendeinem Grund scheint er sie bis aufs Blut zu hassen. Nach und nach fällt die Fassade jedoch und nicht nur Joy, sondern auch dem Leser wird bewusst, dass auch ein Varlet/ ein Percent sowas wie menschliche Züge aufweisen kann und nicht durchweg grausam sein muss. Neél macht eine Entwicklung durch, die zwar nicht in riesen Schritten erfolgt, aber durchaus spürbar ist und durch ihr langsames Fortschreiten wesentlich natürlicher und glaubhafter vonstatten geht, als das bei rasanten Schritten der Fall wäre. Die Beziehung zwischen Neél und Joy verändert sich, wird weniger grausam, mehr Kollegial und irgendwann hat man das Gefühl, dass er ihr nur helfen will zu überleben, statt sie nur zu trainieren um selbst aufzusteigen. Hinter Neéls Fassade steckt mehr als man vermutet und auch wenn manche Dinge wahrhaft vorhersehbar sind, wirkt das ganze nicht aufgesetzt oder nervig sondern natürlich, es erscheint als Ende eines Prozesses.
Joys bester Freund und Liebhaber Matthial, der auch gleichzeitig der Sohn des Clanführers Mars ist, hat immer wieder seinen Auftritt und teilweise werden Kapitel eingestreut, die beschreiben was in Matthials Leben und Clan passieren, jedoch nicht aus seiner Sicht erzählt werden, sondern aus der Sicht eines Erzählers. Die übrigen Kapitel erzählt Joy, in Ich-Form, aus ihrer Sicht. Matthial erscheint anfangs nett und sympathisch, wenn auch etwas eigenwillig und von seinem Vater Mars unterdrückt. Als Joy gefangen genommen wird, bricht für Matthial eine Welt zusammen und er setzt alle Hebel in Bewegung um seine Freundin wieder zu befreien. Die einzelnen Kapitel um Matthial sind interessant und spannend gestaltet, jedoch macht auch er im Laufe der Zeit eine Wandlung durch, die sich nicht gerade zu seinem Vorteil auswirkt, sondern ihn nach und nach unsympathischer und egoistischer erscheinen lässt.
Die weiteren auftretenden Charaktere, Amber (Joys beste Freundin), der Percent Cloud und seine „Frau“ Mina, der Soldat Brad, der Percent Graves und viele andere sind allesamt unersetzlich und bringen den Lauf der Geschichte immer weiter voran. Sie sind mal mehr mal weniger sympathisch und doch möchte man niemanden missen da alle ihre Aufgabe in dieser großen Geschichte erfüllen und ohne sie ein Stück Geschichte verloren ginge.
Besonders fasziniert hat mich der Erzählstil der Autorin, die wunderbare Umschreibung der Orte und Personen, die spannende Sprache und die neue, fremdartige Welt in die wir bei „Dark Canopy“ eintauchen dürfen. Viele neue, spannenden Ideen und Vorgänge, hielten die Geschichte in Gang, trieben mich unaufhaltsam auf das Ende des Buches zu und sorgten dafür, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und wollte, egal wie sehr mein Kopf (vor Kopfschmerzen) pochte und nach Ruhe verlangte. Der Cliffhanger am Ende des Buches lies mich das Buch laut fluchend zuklappen und mein innerstes lechzte fast schon nach dem zweiten Band – auf den wir jedoch leider noch einige Zeit warten müssen.
„Dark Canopy“ ist ein kleines Wunder, dass uns in eine neue Welt entführt, uns ganz neue Ansichten und Dinge vermittelt und uns eines mit auf den Weg gibt: Traue niemals Deinem ersten Eindruck, versuche die Dinge zu hinterfragen und gibt niemals auf – egal was passiert.
Wertung: 5 von 5 Sternen!
Buchtrailer:
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