Inhalt
Hadley hätte an diesem Tag lieber etwas anderes getan, stattdessen steht sie auf dem New Yorker Flughaften und verpasst ihren Flug um genau 4 Minuten. Dem Flug, der sie zur Hochzeit ihres eigenen Vaters nach London gebracht hätte. Hadley, die ihren Vater seit über einem Jahr nicht gesehen hat und die Braut ihres Vaters generell noch nie kennen gelernt hat, soll Brautjungfer spielen und nun kommt sie vermutlich nicht einmal pünktlich zur Hochzeit. Sie bucht ihren Flug um und sitzt erst einmal am Flughafen fest, bis sie Oliver kennenlernt – einen hübschen, netten Jungen mit verschwuschelten Haaren und Puderzucker auf dem Hemd, der zufällig auch nach London fliegt. Zufällig sitzen die beiden dann nebeneinander, kommen ins Gespräch und unterhalten sich schließlich wie alte Bekannte. Und Hadley merkt, dass sie Oliver eigentlich garnicht so gerne wieder gehen lassen will…
Zitate
„Hadley weiß, dass das Leben kein Disney – Familienfilm ist. Ihre Eltern werden nie wieder zusammenkommen. In Wirklichkeit will sie das auch gar nicht mehr. Dad ist offensichtlich glücklich, und Mum anscheinend auch, größtenteils. Sie ist jetzt schon seit über einem Jahr mit Harrison Doyle liiert, dem örtlichen Zahnarzt. Trotzdem wird diese Hochzeit einen Punkt an das Ende eines Satzes setzen, der noch nicht zu Ende sein sollte, und Hadley will eigentlich nicht unbedingt dabei sein, wie das passiert.“
„Es war seine Schuld, und doch war ihr Hass auf ihn die schlimmste Sorte Liebe, ein gequältes Sehnen, ein fehlgeleiteter Wunsch, der ihr das Herz in der Brust hämmern ließ. Sie konnte sich des zusammenhanglosen Gefühls nicht erwähren, dass sie jetzt zwei verschiedene Teile von zwei verschiedenen Puzzles waren, und das nichts auf der Welt dafür sorgen konnte, dass sie wieder zusammenpassten.“
„Ist es besser, etwas Gutes besessen und verloren oder es niemals besessen zu haben?“ – (eigentlich von Charles Dickens, wird aber in diesem Buch zitiert)
(Zur Erklärung: Hadley hatte ein Glühwürmchen gefangen und sollte es wieder frei lassen)
„>Weißt Du was was sagt?< fragte Dad. >Wenn Du jemanden liebst, lass ihn frei.<
>Und wenn er nicht zurückkommt?<
> Manche kommen zurück, manche nicht.< sagte er und kniff sie leicht in die Nase.
>Ich werde jedenfalls immer zu Dir zurückkommen.<
>Aber Du leuchtest nicht<, stellte Hadley fest, Dad jedoch lächelte nur.
>Doch, immer wenn ich bei Dir bin.<
Fazit
„Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick“ ist ein Roman der Autorin Jennifer E. Smith. Wer dieses Buch in die Hand nimmt und den Klappentext liest, vermutet wahrscheinlich eine seichte, alltägliche Liebesgeschichte zwischen zwei Teenagern doch dieses Mal muss ich sagen: Weit gefehlt! Naja, ganz so weit vielleicht dann doch nicht, immerhin kriegen wir auch ein bisschen „Liebe“ ab, im großen und ganzen geht es meiner Ansicht nach hier jedoch nicht nur um die romantische Liebe zwischen Mann und Frau, sondern vielmehr um die Liebe zwischen Eltern und ihrem Kind, Beziehungen innerhalb der Familie und lebensverändernden Prozessen.
Die Geschichte des Buches hat mich sehr berührt, vielleicht weil ich viele Gefühle und Gedanken von Hadley aus eigenen Erfahrungen mitfühlen konnte und mich selbst an verschiedene Stationen meines Lebens erinnern musste, in denen es mir ähnlich ging wie ihr. Neben der Geschichte, dem „Kennenlernen“ zwischen Hadley und Oliver geht es vorrangig um die Beziehung der jungen Amerikanerin und ihrem Vater, der sie und ihre Mutter vor 2 Jahren für ein Auslandssemester an einer fremden Uni verließ und nie mehr zurückkehrte. In England hat er eine Frau kennengelernt, sich neu verliebt und beschlossen sein Leben auf der anderen Seite des „großen See’s“ zu führen, ganz ohne seine Tochter. Hadley fühlt sich schrecklich schuldig, fühlt sich verlassen und alleine und eigentlich will sie der Hochzeit ihres Vaters gar nicht beiwohnen. 1 Jahr lang hat sie sich erfolgreich davor gedrückt die neue Freundin ihres Vaters kennen zu lernen und nun muss sie ihr ausgerechnet bei deren Hochzeit vor die Augen treten – kein schönes Gefühl! Doch er ist und bleibt nunmal ihr Vater und so macht sie sich auf eine lange Reise, die sie jede Menge Kraft und Energie kostet und im Endeffekt weiß sie eigentlich nicht so richtig wofür. Für einen Vater, der sie verlassen und alleine gelassen hat? Den sie seit einem Jahr nicht gesehen hat und dessen zukünfigte Braut sie schon zu hassen beschließt, bevor sie sie überhaupt kennt? Oder doch ein bisschen für sich selbst, um herauszufinden was sie ihm eigentlich noch bedeutet?
Hadley wirkt auf mich von Anfang an sehr sympathisch, sie kämpft ihre eigenen Emotionen nieder und versucht das richtige zu tun, versucht die Vergangenheit ein Stück weit hinter sich zu lassen und zu neuen Wegen aufzubrechen. Als sie ihren Flug verpasst überlegt sie ihre Reise nach London einfach über den Haufen zu werfen und stattdessen zuhause zu bleiben – eigentlich will sie garnicht auf die Hochzeit ihres Vaters, bucht aber trotzdem den nächsten Flug. Mir zeigt diese Handlung eine unglaubliche Stärke, trotz des verpassten Fluges und ihres Unwillens ihren Vater zu besuchen und dem erneut „schönsten Tag seines Lebens“ beizuwohnen beschließt sie ihren Plan durchzuziehen und keinen Rückzieher zu machen. Als sie in der Wartehalle dann durch Zufall den sympathischen Oliver kennenlernt, der im Flugzeug dann auch noch in ihrer Nähe sitzt, scheint das ganze gar nicht mehr so schlimm zu sein. Oliver wirkt auf den Leser wie der nette Junge von nebenan, witzig, klug, charamant und doch hin und wieder von einem Hauch von Traurigkeit umgeben. Man findet ihn auf Anhieb einfach nur unglaublich, besonders als er Hadley versucht von ihrer Klaustrophobie abzulenken und ihr den langen Flug nach London etwas zu erleichtern. Die aufkeimenden Gefühle, zumindest von Hadleys Seite aus sind zwar kaum wahrnehmbar, trotzdem aber durchaus verständlich, Oliver will man einfach nicht mehr hergeben. Trotzdem ist es im Verlauf des Buches, vorallem nach der Landung, doch fraglich ob sie sich jemals wiedersehen, eine Tatsache die dem Leser das Herz etwas schwer werden lässt. Die Hochzeit, die der Leser durch Hadley’s Augen auch erlebt ist vom bitteren Beigeschmack der Unsicherheit unterlegt, denn Hadley kommt so knapp vorher dort an, dass sie kaum noch ein Wort mit ihrem Vater oder seiner zukünftigen Braut wechseln kann. So steht sie also als Brautjungfer vor dem Alter und beim Beschreiten des Mittelgangs sieht sie die Zukünftige ihres Vaters das erste Mal. In ihrem Kopf schwirrt immernoch Oliver und im Grunde fühlt sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort, wäre aus vielerlei Gründen am liebsten ganz woanders. Der Leser darf gespannt sein, wie es mit der Geschichte weitergeht, ob Hadley Oliver jemals wiedersieht und wie sich die Beziehung zwischen Hadley, ihrem Vater und seiner Braut Charlotte noch weiterhin entwickelt.
Insgesamt muss ich sagen, dass mich das Buch sehr berührt, fasziniert und gefesselt hat, man muss es einfach gelesen haben. Vermutlich wirken meine eigenen Erfahrungen sehr stark in diese Faszination und emotionale Verbundenheit mit ein, trotzdem kann ich es jedem nur empfehlen – den ein oder anderen wird es vermutlich sehr stark zum Nachdenken anregen. Die Autorin beschreibt mit klaren, gut verständlichen Worten, ohne komplizierte Schachtelsätze und erschafft so eine kleine aber feine Welt mit tiefgreifender Geschichte, die vor Witz und Sarkasmus nur so sprüht, charismatischen Charakteren und genialen Dialogen, sodass man fast ein bisschen traurig ist, als man das Buch nach 222 Seiten zuklappen und in seine eigene Welt zurückkehren muss.
Wertung: 5 von 5 Sternen!
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