Inhalt
Die 17 jährige Grace wartet jeden Sommer auf die Rückkehr des Winters und damit auf die Rückkehr „ihres“ Wolfes nach Mercy Falls. Als kleines Kind wurde sie von Wölfen in den Wald gezerrt und fast gefressen – einer jedoch beschützte sie und brachte sie zurück zu ihren Eltern: der Wolf mit den goldgelben Augen. Seitdem sieht sie ihn an jedem Winterabend am Waldrand, nahe ihres Hauses. Es scheint fast, als ob er auf sie aufpassen wollte, doch im Sommer bleibt er verschwunden. Während sich Grace so also jeden Winteranfang herbeisehnt, lebt der Wolf mit den goldgelben Augen im Sommer als Mensch mitten unter ihnen: Sam, der Grace im Sommer nur von weitem beobachtet, sie aber niemals anspricht. Jeden Winter zwingt ihn die Kälte zurück in die Wolfsgestalt, doch diesen Sommer ist alles anders – Grace erkennt den jungen mit den goldgelben Augen und verliebt sich in ihn. Doch es ist Sam’s letzter Sommer als Mensch und der Winter rückt unaufhaltsam näher…


Zitate
„So schlichen die Stunden vorbei, und die Nachmittagssonne bleichte die Bücher in den Regalen zu blassgoldenen Abbildern ihrer selbst aus, wärmte Papier und Tinte, sodass der Geruch ungelesener Wörter in der Luft hing.“

„Wenn Grace und ich Gegenstände wären, dachte ich, dann wäre sie eine Hightechdigitaluhr, technische Perfektion, synchronisiert mit der Londoner Weltzeituhr, ich aber wäre eine Schneekugel – durcheinandergewirbelte Erinnerungen in einer Kugel aus Glas.“

„>Für jedes bekommt man einen glücklichen Tag, wusstest Du das?< 
Ich verstand nicht, was er meinte, auch nicht, als er die Hand öffnete und mir die zerknickten Blätter darin zeigte.  > Einen glücklichen Tag für jedes fallende Blatt, das man fängt.<„

Erster Satz des Buches
„Ich erinnere mich, wie ich im Schnee lag, ein kleines, warmes Bündel, das langsam kälter wurde.“

Fazit 
„Nach dem Sommer“ ist der erste Band der Trilogie um die „Wölfe von Mercy Falls“ von Maggie Stiefvater. Bereits bevor ich mir dieses Buch zugelegt habe, hab ich eine Menge positiver Rückmeldungen zu diesem Roman gelesen, irgendwann wollte ich mich dann also selbst überzeugen – und das hat sich definitiv gelohnt!

Auf der ersten Seite sind wir quasi live dabei, wie Grace im Schnee liegt und von den Wölfen bedroht und gebissen wird, die sie verschleppt haben. Plötzlich spürt sie eine Schnauze an der Hand, sanft – ein Wolf mit goldgelben Augen, der ihr scheinbar nichts anhaben möchte. Das zweite Kapitel beschreibt die ganze Situation aus der Sicht von Sam – dem Wolf mit den goldgelben Augen und erklärt uns das ganze direkt ein bisschen näher. Ab Kapitel 3 ereignen sich die Dinge dann einige Jahre nach diesem Vorfall – Grace ist mittlerweile 17 Jahre alt und wartet wie immer darauf, dass „ihr Wolf“ im Winter wieder am Waldrand zu sehen ist. Als Leser versteht man Grace‘ Faszination der Wölfe nicht wirklich, je weiter man jedoch ins Buch eintaucht, desto sympathischer wird einem Grace Weltansicht und umso besser lernt man sie und ihre Gefühle zu verstehen. Sie verspürt eine regelrechte Sehnsucht danach, den Wolf zu sehen, ihn zu berühren und zu wissen, dass er da ist – ganz als ob sie wüsste, dass der Wolf im Sommer in Menschengestalt zu finden ist. Die Liebesgeschichte, die sich zwischen den beiden entwickelt, als sie sich in Menschengestalt begegnen ist herzergreifend, mit einem bitter-süßen Unterton – denn am Ende des Sommers wird sich Sam für immer in einen Wolf verwandeln. Die Verzweiflung und die Hilflosigkeit der beiden liegt immerzu in der Luft, überdeckt vom zärtlichen Kennenlernen und den ganz großen Gefühlen. Grace tut alles dafür um Sam so lange wie möglich in Menschengestalt zu halten, schützt ihn vor jedem kalten Luftzug, der den Vorgang beschleunigen könnte und sucht Mittel und Wege um das unausweichliche vielleicht ganz zu vermeiden. Zeitgleich versucht sie ihre eigene Sehnsucht zu überdecken – die Sehnsucht sich am Ende des Sommers selbst in einen Wolf zu verwandeln – denn trotz der Tatsache, dass sie als Kind gebissen wurde, hat sie sich niemals verwandelt. 

Der 18 jährige Sam, der uns in einigen Kapitel die aus seiner Sicht aus beschrieben werden, sehr viel näher gebracht wird, war mir von Anfang an äußerst sympathisch. Als Mensch wie als Wolf wirkt er gutherzig, sympathisch, menschenfreundlich und verlässlich, immerzu hat er ein Auge auf Grace – egal ob als Wolf oder als Mensch. Auch ihn hat die Begegnung mit der jungen Grace im Wald geprägt, denn selbst in Menschengestalt plagt ihn die Sehnsucht, „sein Mädchen“ zu sehen, doch er wagt es niemals, sie anzusprechen. Eines Sommers wird er in der Nähe ihres Hauses angeschossen und wankt schließlich schwer verletzt und in Menschengestalt auf die Veranda hinter dem Haus. Grace findet ihn, umsorgt ihn und erkennt in ihm sofort „ihren“ Wolf wieder – auch wenn sie die Geschichte der Werwölfe zuerst nicht so recht glauben kann. In diesem Sommer ist alles anders – zum ersten Mal muss Sam Grace nicht aus der Ferne beobachten, kann ihr nahe sein und einen wunderschönen Sommer verleben. Doch auch ihn plagt der Gedanke des nahenden Winters und das Ende seiner Menschheit. 

Beck, einer der Wölfe aus Sams Rudel, war immer wie ein Vater für den jungen Werwolf. Er tritt erst spät in der Geschichte selbst auf, vorher begegnet er uns nur anhand von Erzählungen. Auch wenn er anfangs ruppig und kalt erscheint, mit Methoden, die weder der Leser noch Sam gutheißen können, entpuppt er sich als warmherziger, interessanter, gefühlvoller Menschen-Wolf, der im Grunde immer nur das beste für Sam und sein Rudel will. Die meisten der übrigen Rudelmitglieder werden mehr erwähnt, als das sie wirklich selbst auftreten, wirken aber alle, bis auf die Wölfin Shelby, sehr interessant und sympathisch – sie sind Sam’s „Ersatz-Familie“.

Weitere Auftretende Personen sind vorallem Grace‘ Eltern sowie ihre Freundinnen Olivia und Rachel, ihr Klassenkamerad Jack sowie dessen Schwester Isabel. Diese Personen spielen alle die ein oder andere bedeutende Rolle und besonders Isabel wuchs mir dabei sehr ans Herz. Zu Anfangs wirkt sie wie eine kaltherzige Schlange, nach und nach entpuppt sie sich aber doch als etwas ruppiges aber liebenswertes junges Mädchen, dass man einfach mögen muss. Rachel wirkt sehr verrückt und Olivia hat scheinbar mehr Geheimnisse, als man Anfangs anzunehmen wagt. Grace Eltern sind eher wenig zuhause, bekommen also vom Leben ihrer Tochter nur bedingt was mit und wirken, selbst wenn sie zuhause sind, unnahbar und fernab jeglicher Realität. Jack ist ein überaus verrückter Kerl, lange Zeit wusste ich ihn nicht recht in eine Schublade zu stecken, doch auch er entpuppt sich nach und nach als ganz anderer Mensch, als ursprünglich angenommen. 

Die Geschichte „Nach dem Sommer“ entpuppte sich als weniger spannendes, als eher berührendes, gefühlvolles und außergewöhnliches Märchen – eine etwas andere Werwolf – Geschichte, mit wundervollen Charakteren, herzergreifenden Szenen und Charakteren, die man lieb gewinnt. Sie offenbart die Sehnsüchte zweier Menschen, die so ähnlich sind und doch unterschiedlicher nicht sein könnten, zielen jedoch auf dasselbe Ergebnis ab: Sie wollen nur zusammen sein. Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und sehr tiefgreifend konstruiert – besonders Sam’s Hintergrundgeschichte berührte mich wahnsinnig, die Grausamkeit seiner eigenen, leiblichen Eltern war geradezu erschütternd. Auch Grace‘ Elternhaus birgt einige Unstimmigkeiten und als Leser fragt man sich wohl oft, wie das Mädchen mit dieser Situation so gut zurecht kommt, bis auch bei ihr der Damm bricht und ihre Unzufriedenheit offenbart wird. Das Rudel der Wölfe fasziniert immer wieder und ich persönlich hoffe sehr, dass man dies im zweiten Band noch etwas näher vorgestellt bekommt, etwas tiefer in die „Gepflogenheiten“ des Rudels eingeweiht wird und die einzelnen Mitglieder besser kennen lernt. „Nach dem Sommer“ ist die wahrscheinlich schönste und gleichzeitig traurigste Liebesgeschichte in Märchenform, die ich bisher gelesen habe und – so ungern ich es auch zugebe – hat es mich als erstes der 65 Bücher, die ich dieses Jahr bereits gelesen habe, dazu gebracht, mir hin und wieder verstohlen ein Tränchen von der Wange wischen zu müssen. In einem Seiten-Update des Anbieters Goodreads kommentierte ich die Geschichte zwischendurch irgendwann wie folgt: Zuckersüß, mit einem Hauch bitterer Limone. Irgendwie finde ich immernoch, dass das besonders gut passt…

Wertung: 5 von 5 Sternen!

Gefällt Dir dieser Beitrag? Dann teile ihn doch mit Deinen Freunden!