Inhalt
Als Pari (3 Jahre alt) und ihr Bruder Abdullah (10 Jahre alt) mit ihrem Vater einen langen Fußmarsch nach Kabul unternehmen, wissen sie noch nicht, was sie am Ende des ganzen erwartet: eine herzzerreißende Trennung, die nicht nur das Leben des älteren Bruders, sondern auch der kleinen Pari nachhaltig verändern wird…

Erster Satz des Buches
„Ihr wollt eine Geschichte hören? Gut, ich erzähle euch eine.“


Zitate
„Ich begriff, dass die Welt nicht in einen hineinschauen kann, dass sie keinen Pfifferling auf die Hoffnungen, Träume und Sorgen gibt, die sich hinter Haut und Knochen verbergen. So einfach, so absurd und auch so grausam es klingen mag. Meine Patienten wussten das. Sie wussten genau, wer sie waren, sein würden oder sein konnten, sie wussten, dass dies von der Symmetrie ihres Knochenbaus abhing, von dem Abstand zwischen ihren Augen, der Länge ihres Kinns, der Neigung ihrer Nasenspitze und von der Frage, ob sie den idealen nasofrontalen Winkel besaßen oder nicht. Schönheit ist ein großes, unverdientes, nach einem sinnlosen Zufallsprinzip verteiltes Geschenk.“

„Ich fand eine kleine, traurige Fee
 Im Schatten eines Baums am See.
 Ich weiß eine kleine, traurige Fee,
 Die wurde vom Wind davongeweht.“

Fazit
„Traumsammler“ ist ein Roman des Autors Khaled Hosseini, der vorallem durch seinen Roman „Drachenläufer“ bekannt wurde. Ich persönlich habe vorher noch nie einen seiner Romane gelesen, eben erwähnten jedoch schon oft in den Händen gehalten und überlegt, ob ich ihn nicht lesen sollte. Trotzdem war ich mir immer unsicher und so entschied ich mich meistens dann für andere Bücher, von denen ich sicher war, dass sie mir gefallen würden. Bei diesem Roman hatte ich nun das Glück, als „Buchflüsterer“ ausgewählt zu werden, der diesen Roman rezensieren darf, worüber ich mich sehr freute. Vermutlich wäre „Traumsammler“ sonst ebenfalls nie in meinem Bücherregal gelandet und damit hätte ich auf jedenfall etwas verpasst. Aber lest selbst…

Der Roman beginnt mit einer Geschichte, die Vater Saboor seinen beiden Kindern Pari und Abdullah erzählt. Sie handelt von einem Dämon, der regelmäßig in ein Dorf kommt und dort eines der Kinder einer Familie verlangt. Gibt der Vater keines seiner Kinder heraus, nimmt er der Familie alle Kinder weg. Baba Ayub, der Hauptprotagonist dieser Erzählung, ist dieses Mal an der Reihe und muss sich nun entscheiden, welches seiner liebsten Kinder er abgeben „möchte“… denn sonst verliert er alle miteinander. Ich persönlich fand diese Geschichte genau richtig, um einen Zugang zur Geschichte zu bekommen, denn oftmals fällt es mir schwer, mich in manche Romane einzulesen. Hier fiel dies durch diese wunderbare Einleitung jedoch überhaupt nicht schwer und man versinkt richtiggehend in der wunderbaren Erzählkunst von Vater Saboor. 

Am Ende der Geschichte lernen wir schließlich unsere momentanen Hauptprotagonisten, Pari, Abdullah und Saboor besser kennen und begleiten sie auf dem Weg nach Kabul. Der Sinn der langen Wanderung nach Kabul erschließt sich dem kleinen Abdullah schließlich schneller, als er lieb ist, denn anstatt der Arbeit auf der Baustelle, der sich Vater Saboor eigentlich widmen wollte, endet der Aufenthalt der Familie damit, dass Tochter/Schwester Pari bei einer reichen Familie aufgenommen wird. Saboor verkauft schweren Herzens seine geliebte Tochter, um der Familie das auskommen über den Winter zu sichern und zerbricht dabei ein Stück weit auch sein eigenes Herz. Diesen Schritt fand ich außerordentlich heftig, ein Stück weit konnte ich es jedoch auch nachvollziehen, denn das Leben in Afghanistans Weiten ist hart und heftig, besonders im Winter. Saboors Sohn, den ihm seine Frau und Paris/Abdullahs Stiefmutter Parwana im letzten Herbst geschenkt hatte, verstarb schon bald, da sich die Familie keine warmen Decken und Kleidung leisten konnte und dies versucht Saboor nun beim neu geborenen Iqbal zu verhindern – zum Preis des Verlustes seiner kleinen Tochter. Es ist jedoch, trotz dessen, dass ich es etwas nachvollziehen kann, ein Schritt, der sehr viel Abwägen beinhaltet, schließlich verkauft er seine Tochter, zu Gunsten seines neugeborenen Sohnes! Undenkbar, dass es so etwas auf der Welt tatsächlich gibt!

Pari wächst nun bei der Familie Wahdati auf, in dem Glauben, dass es sich hierbei um ihre wahren Eltern handelt und erinnert sich somit auch nicht mehr an ihr „frühkindliches“ Leben.

Sehr interessant fand ich an diesem Roman vorallem die Tatsache, dass er nicht nur zusammenhängend verläuft und das Leben eines Protagonisten genauer ins Auge fasst, vielmehr wird in nahezu 50 Jahren das Leben von einigen Menschen und Familien durchleuchtet und deren Zusammenhang somit immer deutlicher gemacht. Auch wenn es stellenweise sehr verwirrend war, sich immer wieder an mehr oder weniger neue Figuren gewöhnen zu müssen und deren Leben über Jahre und Jahrzehnte zu verfolgen, so macht es diesen Roman dann doch zu etwas außergewöhnlichem, einer wahren Familienchronik sozusagen. 

Wir erfahren so viel über Pari, Abdullah, Saboor, den Onkel Nabi, Stiefmutter Parwana und ihre Schwester, den Arzt Markos, der sehr viel später auftritt, die Familie Wahdati, die Pari aufnimmt und ettliche andere Personen, dass man wahrhaftig das Gefühl hat, über die Jahre mitzureisen und alles als kleiner Zuschauer in der Ecke mitzuerleben. Besonders faszinierend fand ich die Tatsache, dass genau so etwas irgendwo auf der Welt (z.B. in Afghanistan) durchaus so passiert sein könnte und wir wohl im unklaren darüber bleiben werden, welche Teile der Geschichte tatsächlich irgendwie mit dem Leben des Autors verknüpft sind. Man kann allerdings nicht sagen, dass Khaled Hosseini bei seinen Erzählungen über die einzelnen Protagonisten chronologisch vorgeht, er springt – natürlich erst nach Beendigung der jeweiligen Geschichte – in den Zeiten und zwischen den Personen hin und her, ohne dass es einen erkennbaren roten Faden gibt. Nur eines ist dabei gewiss: Alle haben irgendwie wieder etwas mit der Ursprungsfamilie zu tun, nämlich der Familie von Saboor, Pari und Abdullah. 

Abschließend kann ich euch diesen Roman nur wärmstens ans Herz legen, denn die Erzählkunst des Autors ist nicht nur bemerkenswert, er schafft es auch eine kleine, eigene Welt zu stricken, in der sich der Leser sofort zuhause fühlt und sich stets als eine Art Familienmitglied sehen kann. Die Vernetzungen der einzelnen Personen sind wundervoll und alles ergibt früher oder später einen Sinn, auch wenn es hin und wieder nicht so ganz den Anschein macht. Die Ausschmückungen der einzelnen Charaktere und deren Wesenszüge sind faszinierend und besonders die Figur der Nila Wahdati konnte mich auf Anhieb fesseln. Die Beschreibungen der einzelnen Plätze und Figuren ist so detailiert, dass ich euch von einigen Dingen ein Bild zeichnen könnte oder – sofern ihr mit mir nach Afghanistan reisen würdet – manche Plätze sofort wiedererkennen würde. Alles in allem kann ich sagen, dass ich durchaus positiv überrascht bin von diesem Roman, den ich von alleine wohl immer und immer wieder ins Bücherregal zurückgestellt hätte und bitte euch daher: Lest ihn und macht euch ein eigenes Bild davon!

Wertung: 5 von 5 Sternen!

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