Inhalt
Die vierjährige Tochter von Michael und Susan Schofield hat seit ihrer Geburt seltsame Fantasiefreunde und ist um einiges intelligenter, als andere Kinder. Die Eltern vermuten, dass ihr Kind unter einer frühkindlichen Schizophrenie leidet, doch die Ärzte behaupten, das wäre bei ihrem Alter unvorstellbar. Als Janni dann sechs Jahre alt ist, wird tatsächlich Schizophrenie diagnostiziert, doch an der schwierigen Welt, in der Janni, ihr Bruder und ihre Eltern leben müssen, ändert das nur wenig. Michael und Susan setzen alles dran, ihre Kinder zu beschützen und beiden ein möglichst „normales“ Leben zu ermöglichen und gehen dabei weit über ihre Grenzen hinaus…
Erster Satz des Buches
„Schizophrenie ist ein wenig wie Krebs.“
Zitate
„Schizophrenie ist kein Todesurteil. Es ist eine Krankheit, mit der man umgehen kann und muss. Und sie ist Teil des unendlich vielfältigen Regenbogens des Menschseins. Ich wünsche mir, dass Jani diesen Regenbogen sieht. Und ich wünsche mir, dass Sie diesen Regenbogen sehen. Darum habe ich dieses Buch geschrieben. Dies ist kein Requiem für ein Kind. Es ist eine Reise aus der Finsternis ins Licht.“
Fazit
„Ich will doch bloß sterben, Papa“, ist eine wahre Geschichte, die der Autor und Hauptbeteiligte Michael Schofield erzählt. Aufmerksam geworden bin ich auf die Geschichte der Schofields durch einen Zeitungsartikel, in dem der Vater von seiner schizophrenen Tochter berichet und ein paar Ausschnitte aus dem Buch zu lesen sind. Das hat mich von Anfang an beeindruckt, interessiert und neugierig gemacht und so fragte ich beim Kösel Verlag an, ob ich ein Rezensionsexemplar bekommen könnte.
Bevor wir mit dem eigentlichen „Roman“ beginnen, lesen wir ein Vorwort des Vaters, der sich dazu äußert, weswegen er dieses Buch überhaupt geschrieben hat. Das Zitat, welches ich mir oben herausgesucht habe, stammt aus dem Vorwort des Vaters und beschreibt ganz gut, wie er versucht, mit der Krankheit seiner Tochter umzugehen. Anschließend tauchen wir direkt in die Welt der kleinen Janni ein, die zu Beginn der Erzählung gerade mal 3 Jahre alt ist. Die Kleine ist bereits den ganzen Tag mit ihrem Vater unterwegs, da dieser versucht, sie bei Laune zu halten und so auszupowern, dass sie abends schlafen kann. Bei Janni ist dies nicht so einfach, denn sie scheint eine unbändige Energie zu besitzen und bevor diese nicht ausgelaugt ist, ist an Schlaf gar nicht zu denken. Irgendwann finden wir uns also mit Vater Michael und Janni in einem Spielzeugladen und die kleine versucht der Verkäuferin glaubhaft zu machen, dass sie zuhause 7 Ratten hätten. Natürlich ist dies nicht der Fall, doch Janni lügt nicht – für sie existieren diese Ratten tatsächlich. Die Verkäuferin spielt das Spielchen erst einmal mit und macht dann den Fehler zu fragen, ob sich Janni gerne Dinge ausdenkt – woraufhin die 3 – jährige völlig durchdreht, wie immer, wenn man ihre Welt als Fantasie abstempelt. Sie reißt alles aus den Regalen und spielt sich als reinster Berserker auf. Immer wenn solche Vorfälle auftreten, hofft Michael stets aufs neue, dass alle Menschen Jannis Welt unterstützen und brav „mitspielen“, damit Janni nicht durchdreht.. doch meiner Ansicht nach ist das etwas viel verlangt. Niemand weiß von Jannis Problemen (eine Erkrankung ist bis dato ja noch nicht diagnostiziert) und somit ahnt niemand, was er mit einer,eigentlich völlig normalen, Reaktion auslösen wird.
Eigentlich ist Janni hochbegabt, wie sich mit der Zeit herausstellt: Sie kann sich bereits mit 18 Monaten in vollständigen Sätzen und völlig grammatikalisch einwandfrei artikulieren und bei einer IQ Messung ergibt sich ein Wert von 146. Leider lässt sich mit ihrem Genie nicht alles erklären und auch wenn Michael und Mutter Susan oft hoffen, dass Janni irgendwann einen Nobelpreis erlangt oder ein kleiner Einstein wird, so ist diese Hoffnung doch sehr weit hergeholt. Janni hat verschiedene Eigenarten, die sie sich nicht nehmen lässt, so geht sie zum Beispiel niemals auf Toilette, sondern macht in eine Windel, die sie jedoch nur zum Verrichten des Geschäfts anzieht und danach sofort wieder aus. Was sie nicht will, dazu bekommt man sie nicht und so bekommt Janni IMMER ihren Willen durchgesetzt. Auch dies führt, bekanntermaßen, zwangsläufig zu Problemen und so haben die Eltern der Kleinen sie schon recht früh nicht mehr im Griff – was nicht nur an ihrer Schizophrenie liegt.
Im Laufe von Jannis Geschichte landet sie mehrmal in psychiatrischen Einrichtungen und wird dort, mehr oder weniger, gründlich untersucht. Der Neurologe behauptet sogar, sie hätte ADHS und wäre aus diesem Grund so unerträglich – eine Tatsache, die mir ein recht ungläubiges Lachen entlockte. Da wäre sie mal wieder, die momentane Allerweltsdiagnose. Lächerlich!
Interessant sind vorallem die Gefühle von Jannis Vater Michael, denn die bekommen wir am meisten und vorallem am deutlichsten mit. Er bildet sich ein, dass nur er einen Zugang zu Janni hat und am besten mit ihr in ihre Welt eintauchen kann. Zwischenzeitlich entwickelt er sogar einen regelrechten Hass auf seine Frau, weil diese unter Jannis Kapriolen kapituliert und versucht, sie in eine Psychiatrie einzuweisen. Selbst als Janni selbst äußert, dass sie dort wohl besser aufgehoben wäre, streikt Michael und so wirkt die realitätsferne Tochter manchmal vernünftiger, als ihr Vater. Auch wenn man ihn zu Beginn recht gut versteht und auch seine Taten nachvollziehen kann, er will ja seiner Tochter nur helfen, so versinkt man doch schon bald in tiefem Unverständnis und nimmt an, dass Michael selbst die Tragweite der Handlungen seiner Tochter nicht versteht. Selbst dann, als Janni immer wieder versucht auf ihren frisch geborenen kleinen Bruder loszugehen, beschützt er sie und will sie von allem freisprechen.
Als Janni schließlich 6 Jahre alt ist, wird endlich die Diagnose gestellt: Sie leidet unter frühkindlicher Schizophrenie. Ab da geht es dann endlich bergauf, doch ich als Leserin konnte nur bedingt aufatmen. Zu oft hatte ich den Impuls das Kind zu schütteln, abzugeben oder einfach nur anzubrüllen. Als Janni zwischenzeitlich versucht, sich selbst das Leben zu nehmen, muss ich gestehen, dass ich gehofft habe, dass sie es irgendwann schafft, denn dann hätte die Familie endlich Erlösung erfahren. Es muss verdammt schwierig sein, solch ein Kind großzuziehen und sich jeden Tag aufs neue den unterschiedlichsten Herausforderungen stellen zu müssen!
Nachdem ich dieses Buch zu Ende gelesen hatte, brauchte ich erst einmal etwas Zeit, damit sich das ganze setzen konnte, denn es gibt einfach Bücher, über die man erst einmal nachdenken muss. „Ich will doch bloß sterben, Papa“ ist kein Roman, keine Fiktion, sondern die Geschichte einer Familie, die einen erschüttert, einen in eine Fassungslosigkeit hineinschubst und in eine Hilflosigkeit führt, aus der man nur schwerlich wieder herausfindet. Man durchlebt eine ganze Reihe von Gefühlen und fragt sich, wie die Familie mit ihrer Situation so umgehen kann, wie sie es schaffen, ohne zu zerbrechen und immer nur am Rande des Abgrundes zu balancieren, ohne abzustürzen. Wenn ich mir meine Inhaltsangabe von oben durchlese, so erschließt sich daraus im keinster Weise die Dramatik, die dieses Buch beeinhaltet und so mancher wird sich fragen, was an diesem Buch so interessant ist, doch das ist nicht so einfach zu erklären. Bücher, die vom Leben pychisch Erkrankter erzählen gibt es sicherlich wie Sand am Meer, doch dieses hier ist eines das heraussticht. Vielleicht liegt es an der Erzählweise des Vaters, vielleicht aber auch am sehr jungen Alter der Erkrankten, so richtig kann man das im Grunde gar nicht sagen. Alles in allem kann ich euch dieses Buch aus tiefster Seele empfehlen: es berührt, es wühlt auf und bringt uns vorallem alle wohl sehr stark dazu, mal über unser eigenes Leben nachzudenken und zu bemerken, wie froh wir eigentlich sein können, dass es uns und unseren Lieben „so gut“ geht.
Wertung: 5 von 5 Sterne!
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