Stell Dir vor, Du hast eine hochbegabte Tochter, der sich eine einmalige Chance bietet und Du kannst sie ihr nicht ermöglichen, weil Du pleite bist. Nun liegt da aber ein Bündel Geldscheine, welches all Deine Probleme lösen könnte. Obwohl Du weißt, dass es ein großer Fehler ist, nimmst Du das Geld…
Durch einen dummen Zufall hilft Dir dann aber ausgerechnet der Mann aus der Patsche, dem das Geld gehört. Und Du verliebst Dich auch noch in ihn! Würdest Du es ihm gestehen?
Erster Satz des Buches
„Ed Nicholls trank gerade im Kreativraum mit Ronan Kaffee, als Sidney hereinkam.“
Fazit
„Weit weg und ganz nah“ ist der dritte Roman der Autorin Jojo Moyes, der im Rowohlt Verlag erschienen ist. Wie ihr vielleicht wisst, habe ich bereits die ersten beiden ihrer Romane regelrecht verschlungen, daher war dieser Pflicht!
Zu Beginn des Romanes begegnen wir erst einmal Ed Nicholls, einem Unternehmer, der gerade im Begriff ist, alles zu verlieren. Von Anfang an wirkt er äußerst sympathisch, auch wenn man ihn durch die kurzen Sequenzen nur wenig kennenlernt und ihn dort eher von der reservierten und geschockten Seite kennenlernt. Ed wird beschuldigt, Insiderinformationen aus seiner Firma weitergegeben zu haben und ihm droht nicht nur eine Geldstrafe und Ausschluss aus der Firma, sondern auch eine Gefängnisstrafe. Auch wenn er diese Tat mehr oder weniger vorsätzlich beging, so waren ihm die Konsequenzen des ganzen nicht klar und im Laufe der Geschichte lernen wir ihn nicht nur besser kennen, sondern hoffen inständig, dass er heil aus der Sache herauskommt – denn Ed liebt seinen Beruf. Ed scheint ein eher etwas schüchterner, geradliniger Mensch zu sein, der einige Menge Geld besitzt, sich damit auch schöne Dinge kauft, sich aber im Grunde nicht großartig etwas daraus macht. Mit Frauen scheint er in der Vergangenheit nicht gerade das große Glück gehabt zu haben und auch die drohende Verurteilung bringt ihn in seinem Leben nicht weiter. Er scheint an einem Scheidepunkt zu stehen, an dem er sich klar werden muss, was im Leben wirklich zählt und vielleicht rückt Jess genau zum richtigen Zeitpunkt in sein Leben…
Zwischendurch schwenken wir immer mal wieder um, zu Jess. Jess ist eine 27-jährige Frau, die ihre volle Energie darauf verwendet Geld zu erwirtschaften, damit sie ihre Familie über Wasser halten kann. Ihr Noch-Ehemann Marty hat sich vor knapp 2 Jahren aus dem Staub gemacht und sich auf Grund schwerer Depressionen zu seiner Mutter zurückgezogen. Von dort aus leistet er keinerlei Arbeit und kann somit auch keinen Unterhalt an seine Familie zahlen, weswegen es Jess umso schwerer fällt, sich, ihre Tochter und ihren Stiefsohn durchzubringen. Sie schuftet sich den Buckel wund und hat kaum Zeit für ihre Kinder und den großen, alten und stinkenden Hund Norman, der nicht umsonst den Titel „widerlichster Hund der Welt“ verdient hätte. Jess ist eine großartige und umwerfend sympathische Persönlichkeit, die meiner Meinung nach einen Orden verdient hätte, für all ihre Mühen. Sie gibt alles um ihren Kindern ein gutes Zuhause bieten zu können und man merkt, dass sie beide über alles liebt – auch wenn Nicky nicht ihr leiblicher Sohn ist. In ihrer Verzweiflung tut Jess dann etwas unrechtes und „stiehlt“ das Geld, dass Mr. Ed Nicholls zufällig aus der Tasche fällt und den sie von einem ihrer Putzjobs kennt. Doch irgendwie kann man ihr dies nicht übel nehmen, denn ich vermute einfach, jeder hätte in dieser Situation wohl so oder so ähnlich gehandelt.
Tanzie ist Jess‘ zehnjährige Tochter, ein hochintelligentes Mädchen, das nichts lieber tut, als Matheaufgaben zu lösen. Da sie jedoch weit über den durchschnittlichen Niveau liegt, bekommt sie durch Zufall ein Stipendium für eine Eliteuni, die sie um jeden Preis besuchen möchte. Tanzie ist ein eher außergewöhnliches, junges Mädchen, mit besonderen Interessen und vorlieben, doch gerade das macht sie absolut liebenswert. Auch wenn sie eine etwas eigensinnige Art besitzt, so schließt man sie unglaublich schnell ins Herz und wünscht ihr, dass sie genau an dieser Uni studieren kann!
Nicky, eigentlich Nicholas, ist Jess 16-jähriger Stiefsohn und Sohn ihres Noch-Ehemannes. Wie seine Stiefschwester ist auch Nicky ein eher außergewöhnlicher Junge: er hat gefärbte, schwarze Haare und trägt Eyeliner, sowie Wimperntusche und wird dafür extrem gehänselt. Was diese Jungs betreiben, geht schon fast über das hänseln hinaus und grenzt an handfestes Mobbing – ein Grund mehr für Nicky, sich weiter zurückzuziehen. Nicky war mir von Anfang an sehr sympathisch, besonders weil man schnell merkt, dass er seine Ziehfamilie total akzeptiert und sich Tanzie gegenüber fühlt, als sei es seine leibliche Schwester. Das Verhältnis der beiden ist richtig klasse und manch einer würde sich wohl wünschen, einen solchen großen Bruder zu haben, der Mut zuspricht, aufmuntert und immer für einen da ist.
Zu Beginn der Geschichte ist das Verhältnis zwischen Jess und Ed kein anderes, als das einer Angestellten mit ihrem Chef. Auch wenn sich die beiden eher fremd sind, weil sie sich bei Jess‘ Putzjob in Ed’s Haus nur selten über den Weg gelaufen sind, oder sogar von ihrer Seite aus in leichte Abneigung umgeschlagen ist, lässt sie sich darauf ein, sich von ihm nach Schottland fahren zu lassen. In Schottland findet eine Art Mathe-Olympiade statt, an der Tanzie teilnehmen soll – vom Preisgeld könnte sie locker die Zusatzkosten für ihre Eliteuni bezahlen! Auf dem Weg verstehen sich Ed und Jess immer besser und die beiden bemerken, dass der erste Eindruck, den sie jeweils vom Gegenüber hatten, möglicherweise noch einmal revidiert werden sollte. Die beiden zusammen sind einfach genial: Entweder sie ignorieren sich, streiten, sind gegenüber dem anderen misstrauisch oder erzählen unglaublich viel aus ihrem Leben.
Wenn man sich den Inhalt dieser Story mal ganz unvoreingenommen betrachtet, erhält man eine verzweifelte Mutter mit zwei außergewöhnlichen Kindern, die alles versucht, um einem ihrer Kinder einen Traum zu erfüllen. Sie steigt des Nachts mit ihren Kindern in das Auto eines völlig fremden und entschließt sich dann auch noch dazu, mit ihm durchs halbe Land zu kutschieren – da bleibt doch die Frage: Welche Mutter würde solch eine Entscheidung treffen? Auf der anderen Seite sieht man einen mehr oder weniger erfolgreichen Unternehmer, der gerade dabei ist alles zu verlieren und eine gute Tat wohl als letzten Strohhalm sieht, um sein Gewissen zu erleichtern. Nimmt man beide und würfelt sie zusammen, erhält man eine Geschichte voller Charme, Witz, Emotionen und Absonderlichkeiten, wie sie nur Jojo Moyes zu Papier bringen kann und dabei nicht einmal unrealistisch wirkt. Wir erleben mit, wie sich Menschen verändern, mutiger werden, versuchen ihre Träume zu verwirklichen und dabei bemerken, wie sehr man sich manchmal in Menschen täuschen kann. Trotzdem geben sie niemals auf, sind optimistisch bis zum Schluss und so voller Hoffnung, dass es manchmal schon weh tut. Als Leser kann man nicht mehr tun, als in diese Geschichte einzutauchen und sich von Herzen wünschen, ein Teil davon zu sein, ein bisschen von dieser Lebensfreude und der Hoffnung abzustauben und sie Teil seines eigenen Lebens werden zu lassen. Für Fans von Jojo Moyes, und die, die es werden wollen, kann ich nur sagen: Zugreifen und lesen!
Wertung: 5 von 5 Sterne!
Hier beschreibt Jojo Moyes in mehreren Youtube-Video ihre verschiedenen Charaktere! Sehenswert! (Klick auf die Namen!)
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